Logo des Biosphärenreservats Niedersächsische Elbtalaue Niedersachsen klar Logo

Ein Zeugnis deutscher Geschichte

Die Geschichte der Eisenbahnbrücke Dömitz


In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte der Bau von Eisenbahnverbindungen mit zu den wichtigsten Projekten in Deutschland. So auch in Norddeutschland. Mit dem Bau einer Bahnstrecke zwischen Wittenberge und Buchholz wollte die Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft (BHE) eine schnelle Verbindung nach Hamburg herstellen.

Der Bau einer Flussbrücke war zwingend notwendig, da die geplante Strecke die Elbe querte. Das Projekt, eine weitere Eisenbahntrasse zu bauen, war unumstritten. Doch gegen den Ort der Elbüberquerung in Wittenberge gab es vehementen Widerstand aus dem Großherzogtum Mecklenburg. Man befürchtete Einnahmeverluste, da die Bahnstrecke das Großherzogtum links liegengelassen hätte. Unter anderem wäre ein bis dahin gezahlter Eisenbahntransitzoll in Höhe von 680 000 Mark (1857) weggefallen. Erst nach längeren Verhandlungen wurde Dömitz als Ort für eine Eisenbahnbrücke benannt.

1867 – Die Wirtschaft floriert

1867 wurde auf Druck Preußens der „Norddeutsche Bund“ gegründet. Mitten in Europa gelegen, entwickelten sich durch den Zusammenschluss rasant schnell wirtschaftlich ausgezeichnete Perspektiven. Um die Gewinnerwartungen realisieren zu können, brauchte man effektive Eisenbahnverbindungen. Es begann ein Wettrennen privater Investoren.

Mit dem Bau einer weiteren Nord-Bahnstrecke wollte die BHE Konkurrenten zuvorkommen, die eine Erweiterung ihres Streckennetzes von Seehausen über Salzwedel nach Uelzen planten.

Militärisch waren Flussbrücken eine Chance, aber auch ein Risiko. Eine Revolution und mehrere Kriege hatten gezeigt, dass Waffen und Truppen über Flussbrücken schnell und effektiv an die Kriegsschauplätze geführt werden konnten. Um zu verhindern, dass der Feind das Gleiche in Preußen tat, baute man ab 1847 regulär Minenkammern in Grenz- und Strombrücken. So konnte die Verbindung schnell unterbrochen werden. Die Sorge war, dass der „westliche Gegner“, womit Frankreich gemeint war, die Rheingrenze durchbräche. Richtung Norden war die Elbe damals die einzige wirksame natürliche Barriere im Kern Deutschlands.

1869/70 – Die Brücke als Verteidigungsbauwerk

So gab es auch für die Dömitzer Brücke militärische Vorgaben. Von mecklenburgischer Seite gab es eine Genehmigung nur mit der Auflage, dass Vorkehrungen gegen einen Angriff aus westlicher Richtung getroffen werden.

An beiden Enden der Brücke sollten deshalb militärisch ausgerüstete Wachblockhäuser gebaut und zwei Strompfeiler mit ‚Demolierungsminen‘ versehen werden. Außerdem sollte die Brücke nicht mehr als „höchstens 2000 Schritt von der Citadelle Dömitz“ entfernt sein. Um der Schifffahrt eine ungestörte Durchfahrt zu ermöglichen, aber auch zur schnellen Unterbrechung der Brückenverbindung, sollte zudem eine Drehbrücke eingebaut werden.

Wie schnell eine Verteidigung notwendig werden könnte, zeigte sich noch vor dem Baubeginn der Brücke: Im Juli 1870 brach der Deutsch-Französische Krieg aus.

1870 – Der Bau beginnt

Am 8.9.1870 erfolgte der erste Spatenstich. Insgesamt drei Jahre sollte der Bau dauern, bevor am 15.12.1873 eine Teilstrecke zwischen Wittenberge – Dömitz – Dannenberg/Ost und Hitzacker eröffnet werden konnte. Eine zweigleisige Brücke wurde es, mit insgesamt zwanzig kleineren und vier langen Überbauten im Strombereich. Moderne technische Verfahren machten sie zu einem Meisterwerk ihrer Zeit.

Weitere Informationen zur Brückentechnik.

Die wirtschaftlichen Erwartungen an die neue Eisenbahnstrecke erfüllten sich jedoch nicht, das zweite Gleis auf der Brücke wurde nie effektiv genutzt. 1877 begann man deshalb mit dessen Rückbau.

1925 bis 1934 – Ertüchtigung der Brücke

Bereits 1909/10 war die Tragwerkskonstruktion an ihre Belastungsgrenze gekommen. Doch erst 1925 und 1932/33 wurde die Konstruktion verstärkt, um die Brücke für schwerere Züge nutzbar zu machen.

Weitere Details zur Tragwerkskonstruktion.

20. April 1945 – Zerstörung der Brücke durch alliierte Luftangriffe

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, am Nachmittag des 20. April 1945, wurde die Brücke von fünf amerikanischen Jagdbombern angegriffen. Dabei wurde der östlichste Strompfeiler vor der Drehbrücke so stark beschädigt, dass einer der Stromüberbauten einseitig in die Elbe stürzte. Die Eisenbahnverbindung Berlin - Buchholz war damit endgültig unterbrochen worden.

An diesem und folgenden Tagen wurden sämtliche Elbbrücken zwischen Tangermünde und Lauenburg zerstört. Teilweise geschah dies auch durch die Wehrmacht, die den anrückenden Alliierten den Weg versperren wollte.

Nach den Angriffen war eine Brückenquerung der Elbe auf mehreren hundert Kilometern nicht mehr möglich. Lediglich in Tangermünde, 115 Flusskilometer von Dömitz entfernt, machte ein provisorischer Holzsteg eine Überquerung zu Fuß möglich.

Nach dem Krieg wurde die Elbe in dieser Region zur Grenze zwischen Ost und West. Im kalten Krieg der 1950er Jahre war eine Instandsetzung der Brücke und Wiederaufnahme der Eisenbahnverbindung undenkbar. Erst 1992 wurde mit dem Bau einer Straßenbrücke eine direkte Verbindung nach Dömitz wiederhergestellt.

Eine Restaurierung der alten Eisenbahnverbindung und der Brücke wurde zwar nach der Wende mehrfach angeregt, aber nie ernsthaft in Erwägung gezogen.

Noch vollständige Brücke in den 1940er Jahren   Bildrechte: Museum Festung Dömitz
Noch vollständige Brücke in den 1940er Jahren
Grenzsoldaten der DDR 1956   Bildrechte: Bundesarchiv, Bild 183-42998-0014 / CC-BY-SA 3.0
Grenzsoldaten der DDR 1956
Zustand des Drehbrückenelementes im Sommer 1987   Bildrechte: Unbek. Fotograf, Privatsammlung
Zustand des Drehbrückenelementes im Sommer 1987

1953 bis 1981 – Die Brücke wird zum Ort des Gedenkens

Bis 1981 nutzten Vertriebenenverbände den geschichtsträchtigen Ort für Gedenktage wie dem 17. Juni (ehem. „Tag der Deutschen Einheit“ nach dem Aufstand in der DDR 1953), auch touristische Elbfahrten führten zur Brücke. Die Brückenreste wurden zum Symbol der deutschen Teilung. Angesichts sinkenden Interesses an dem bundesdeutschen Feiertag fand eine derartige Feierstunde 1981 zum letzten Mal statt.

Weitere Informationen zur künstlerischen Bedeutung der Brücke.

1978 – Demontage auf der Westseite

1978 wurden vorgeblich wegen Einsturzgefahr und Gefährdung der Schifffahrt auf der westlichen Uferseite drei Brückenpfeiler demontiert. Als die Deutsche Bundesbahn als Eigentümerin mit der Sprengung der noch in die Elbe hineinreichenden Brückenteilen begann, regte sich Widerstand in der Region. Während die Bundesbahn mitteilte, nur eine Gefährdung der Schifffahrt beseitigen zu wollen, kritisierte die regionale Elbe-Jeetzel-Zeitung den Abriss als Auslöschen eines Symbols, als „Sprengungen am Symbol der deutschen Teilung“.

1988 – Rückbau auf DDR-Seite

1987 begann man auf DDR-Seite mit dem Abriss des Kopfbauwerks sowie der verbliebenen Brückenpfeiler. Offiziell geschah dies aus Sicherheitsgründen wegen Baufälligkeit – inoffiziell sollte der Grenzbereich weiter gesichert werden.

2010 – Versteigerung und Neubeginn

Jahrzehntelang blieben die Brückenreste ein beinahe vergessenes Rudiment am Elbufer. Im Jahre 2010 versteigerte die Deutsche Bahn das Bauwerk und mehr als 70.000 m² Grundstücksfläche an den niederländischen Unternehmer Dr. Toni Bienemann. Er begann, Sanierungsmaßnahmen zu initiieren. Bis 2018 ließ Bienemann mit eigenen Mitteln und öffentlicher Förderung nicht nur die Begehbarkeit des Kopfgebäudes wiederherstellen, sondern sorgte auch für die Sanierung des Brückenkopfs.

Im Jahr 2020 initiierte die Samtgemeinde Elbtalaue eine Machbarkeitsstudie, die einen umsetzbaren Masterplan für die Nutzbarmachung darstellte. Nachdem die Nutzungsrechte für 30 Jahre von der Eigentümerin Peja Kaltenhof GmH an die Samtgemeinde Elbtalaue übertragen wurde, konnte wiederum mit öffentlicher und privater Förderung das Bauwerk durch die Generalplaner ralf pohlmann : architekten grundlegend saniert und auf den ersten vier westlichen Brückenbögen ein Skywalk errichtet werden.

Mit dem errichteten Skywalk wurde nicht nur die Begehbarkeit eines Brückenteils geschaffen. Er bietet auch die Möglichkeit, hier einen Kultur-, Erinnerungs- und Erlebnisort zu schaffen, der zudem eine faszinierende Sicht auf die wertvolle Auenlandschaft ermöglicht.

(Quelle: ralf pohlmann : architekten / Machbarkeitsstudie „Natur- und Kulturerlebnis Dömitzer Eisenbahnbrücke“, 2022)

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln