Altarme, Bracks und Qualmwasser
Die zahlreichen, oftmals kleinflächigen Stillgewässer in den Elbvorländern und der eingedeichten Elbniederung sind äußert wertvolle, artenreiche Lebensräume in der Elbtalaue. Sie durchziehen mit unterschiedlichem Verlandungsgrad als Flutmulden, Altarme und Seen die Talniederung und weisen auf frühere Verläufe der Elbe oder Elbarme hin. Bei Elbhochwasser wird unter dem Deichfuß sogenanntes "Qualmwasser" hindurchgedrückt. Dadurch entstehen binnendeichs gelegene, temporäre Qualmwassertümpel. Verschiedene Kolke in Deichnähe, auch Bracks genannt, sind Zeugen ehemaliger Deichbrüche. Ihr Wasserstand wird ebenfalls durch Qualmwasser beeinflusst. Eine Reihe künstlicher Stillgewässer entstanden im Zuge des Deichbaus oder der Tongewinnung für die Ziegelherstellung.
In diesen Lebensräumen findet man eine reiche Pflanzenwelt. Besonders auffällig sind dichte Decken aus Schwimmblättern der Weißen Seerose (Nymphaea alba) und der Großen Teichrose (Nuphar lutea). Vereinzelt kann man in deichnahen Bracks, selten auch im Vorland, die gelben Blütenteppiche der Seekanne (Nymphoides peltata) finden. Sie zählt zu den Stromtalpflanzen, die hier an der westlichen Grenze ihres Verbreitungsgebietes vorkommt. Ihre Bestände können zeitweise völlig zusammenbrechen, erholen sich aber meist nach einigen Jahren.
In einigen Binnendeichbracks kommt die Krebsschere (Stratiotes aloides) vor. Sie wird wegen ihrer scharf gezackten Blattrosetten auch "Wasseraloe" oder "Wassersäge" genannt und vermehrt sich durch Sprosse, die an die Schere eines Krebses erinnern. Die Pflanzen bilden dichte Verbände, die halb untergetaucht an der Wasseroberfläche schwimmen. Eng an das Vorkommen der Krebsschere ist eine gefährdete Libelle, die Grüne Mosaikjungfer (Aeshna viridis), gebunden.
Viele der Qualmwassertümpel sind Refugien für seltene, spezialisierte oder konkurrenzschwache Arten. So wurden hier geschützte Fischarten wie Steinbeißer (Cobitis taenia) und Schlammpeitzger (Misgumus fossilis) nachgewiesen. Gefährdete Amphibien wie Rotbauchunke (Bombina bombina), Laubfrosch (Hyla arborea), Knoblauchkröte (Pelobates fuscus), Kreuzkröte (Bufo calamita) und Kammmolch (Triturus christatus) nutzen sie erfolgreich als Laichgewässer. Auch die die Larven zahlreicher Libellenarten entwickeln sich hier – vom Kleinen Granatauge (Erythromma viridulum) und der Südlichen Binsenjungfer (Lestes barbarus) bis hin zum Blaupfeil (Orthetrum spec.) und zur Herbst-Mosaikjungfer (Aeshna mixta).
Zwei Krebsarten – Schuppenschwanz (Lepidurus apus) und Blattfußkrebs (Bosmina longirostris) – haben sich auf das Leben in den nur kurzzeitig Wasser führenden Qualmwassertümpeln spezialisiert. Sie benötigen nur wenige Wochen bis zur Eiablage. Die Eier können jahrelange Trockenphasen bis zu einem neuen Entwicklungszyklus überdauern.
Verschiedene Kolke in Deichnähe, auch Bracks genannt, sind Zeugen ehemaliger Deichbrüche.