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Flucht über die Elbe

Neue Ausstellung im Archezentrum in Neuhaus


Hitzacker. Das Elbufer im Landkreis Lüchow-Dannenberg war Endstation Sehnsucht und gleichzeitig der Ort, von dem aus zahlreiche DDR-Bürger ein neues Leben im Westen begannen. Das Museum Das Alte Zollhaus in Hitzacker widmet seine Jahresausstellung im 25. Jahr der Grenzöffnung Fluchten von Menschen, die zwischen Hitzacker und Bleckede alles riskierten. „Und nicht jeder überlebte die oft waghalsigen Aktionen“, berichtet die Journalistin Karin Toben, die zusammen mit Museumsleiter Klaus Lehmann Archive durchkämmte und nach umfangreichen Recherchen 18 neue Biografien vorstellt. Sie werden gegenwärtig im Archezentrum in Neuhaus/Elbe als Sonderausstellung präsentiert.

23 Jahre alt ist der Metzger Jens Seegers aus Gera in Thüringen, als er in der Nacht zum 1. März 1988 in Hitzacker ankommt. Er ist unterkühlt und völlig erschöpft, als er an das Fenster der Witwe Möller Am Brink klopft. Die ruft die Polizei, und Zollhauptsekretär Otto Meyer schreibt später eine „Aufgriffsmeldung“ der Grenzaufsichtsstelle. Jens Seegers war zuvor mit seinem Trabi quer durch die DDR bis ins Elbdorf Kaarßen ins Sperrgebiet gelangt und stundenlang in der kalten Nacht herumgeirrt, weil er keine genaue Vorstellung hatte, wo die Elbe war. Am Ende löst er zwar noch Grenzalarm aus, erreicht aber sein Ziel. Heute lebt er in Bayern. Über die Recherche von Karin Toben hat er erstmals seine Stasi-Akte und alle Details seiner Flucht in Händen gehabt.

Dramatischer verlief das Schicksal des Alfred Banz aus dem Sperrgebiet in Strachau, der das erstemal mit 16 im Backtrog im Wendland ankam. Aber das Heimweh nach der Mutter war stärker – er kehrte zurück, um danach noch mehrmals die Ufer zu wechseln. Er nimmt DDR-Zuchthaus als Republikflüchtling auf sich und wird schließlich ausgewiesen. In Hamburg ermordet er eine Prostituierte, sitzt im Knast Santa Fu und begeht dort weitere Straftaten – gleichzeitig beliefert er Hamburger Galerien mit seinen Bildern. 2002 stirbt Banz, der immer ein „Junge von der Elbe“ blieb, als unfreier Mann.

Schlagzeilen in den West-Medien macht der Bootsführer Paul Güldenpfennig am 1. August 1963, nachdem er mit seinem Dienstboot des Wasserstraßenamtes in den Westen flüchtet. Er hat Frau und drei Kinder im Grenzdorf Rassau nach Feierabend in die „Frieden“ geladen und ist mit ihnen einfach ans Westufer bei Tießau gefahren. Das Boot wurde Wochen später hochoffiziell von der BRD an die DDR auf dem Fluss zurückgegeben.

„Unsere Ausstellung gibt nur einen Teil der in den Akten festgehaltenen Fluchten wieder. Aber sie zeigt beispielhaft, was Menschen riskierten, um in Freiheit leben zu können“, sagt Klaus Lehmann. „Auch winterliche Kälte, Hochwasser oder Eisschollen bildeten kein Hindernis“, sagt Karin Toben und verweist auf die Flucht der Familie Launus, die mit sechs kleinen Kindern von Privelack Richtung Tießau über die zugefrorene Elbe kroch. Unter den Flüchtlingen waren oft junge Männer, die keine Perspektive in der DDR sahen, aber immer auch Menschen, die der Krieg an die Elbe getrieben hatte, die nichts aufbauten und nichts zu verlieren hatten.

Die Ausstellung ist bis Ende September zu sehen im
„Archezentrum Amt Neuhaus“ im „Haus des Gastes“
Am Markt 5
19273 Neuhaus
Tel.: 038841-759614
Der Eintritt ist kostenlos.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11 – 16 Uhr, Montag geschlossen

29.08. bis 30.09.2014
„Archezentrum Amt Neuhaus“ im „Haus des Gastes“, Am Markt 5, 19273 Neuhaus
Ausstellung "Flucht über die Elbe"   Bildrechte: Copyright 2014

Ausstellung "Flucht über die Elbe"

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